Das Familiengericht Weimar entscheidet über Kinderrechte während der Coronakrise – Zuständigkeit ist streitig
Wir haben über eine Hausdurchsuchung bei einem Familienrichter wegen dessen Entscheidung in einem Kinderschutzverfahren gemäß § 1666 Abs. 1 und 4 BGB im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen an zwei Schulen berichtet. Dem Vorausgegangen war die erfolgreiche Erwirkung einer einstweilige Anordnung gegen eine staatliche Regel- und eine Grundschule beide in Weimar durch eine Mutter für ihre zwei schulpflichtigen Kinder.
Der mit einer Allgemeinverfügung angeordneten Maskenzwang, die Mindestabstandsregeln sowie die Durchführung von Schnelltests wurden aufgehoben bzw. verboten.
Das Amtsgericht Weimar sieht mit seinem Beschluss vom 08.04.2021 – 9 F 148/21 das Kindeswohl an den betreffenden Schulen als gefährdet an. Im folgenden soll die 178 Seiten umfassende Begründung des Familiengerichts verkürzt und zusammengefasst dargestellt werden.
Was war passiert :
In der konkreten Situation war es so, dass ein Achtklässler aufgrund der durch das Coronavirus bedingten Situation annährend den gesamten Schultag eine „qualifizierte Maske“ tragen musste; auch auf dem Schulhof. Lediglich auf dem Sitzplatz bei gleichzeitigem Stoßlüften dürfte die Maske abgesetzt werden. So erging/ergeht es derzeit vielen Schülern.
Das Amtsgericht Weimar führt dazu weiter aus, dass in der Woche vom 08.03.2021 bis zum 12.03.2021 ebenfalls im Sportunterricht eine qualifizierte Maske getragen werden musste.
Nach Aussage des Schulleiters habe das Kind den ganzen Tag die Maske zu tragen.
Dies habe dazu geführt, dass der Gesundheitszustand des Kindes erheblich litt. Dies wurde am 22.03.2021 medizinisch attestiert und der Schüler wurde vom Tragen einer Maske befreit.
Daraufhin sei er von seiner Lehrerin diskriminiert und beleidigt worden. Er habe sich in die hintere Ecke des Unterrichtsraumes setzen müssen und sei nicht mehr mit Namen angeredet worden, sondern nur noch mit
„Du ohne Maske“.
Die Schulleitung meinte, dass nur sie dazu berufen sei, eine Maskenbefreiung zu erteilen. Das ärztliche Attest sei zur Kenntnis genommen worden, aber irrelevant. Im Unterricht würden ausreichend Maskenpausen gemacht werden.
In den Pausen auf dem Schulhof müssten Masken getragen und Abstand gehalten werden.
Die Lehrer achteten weder auf eine korrekte Handhabung der Masken noch auf das Erfordernis des Wechsels bei Durchfeuchtung.
Das zweite Kind der besorgten Mutter, ein Drittklässler, hatte eine Stoffmaske bzw. Schlauchschal im Schulgebäude außer auf dem Platz im Unterricht zu tragen. Da im Essenssaal beim Mittagessen Abstandsregeln zu beachten waren, konnten nur weniger Schulkinder gleichzeitig essen. Den Kindern wurde eine Essenszeit von 15 Minuten eingeräumt. In den Horträumen wurde ebenfalls Maske getragen. Die Erzieherin ging daher viel mit den Kindern raus.
Das Kind leidet in zeitlichen Zusammenhang mit dem Maskenzwang unter Kopf- und Bauchschmerzen, sowie unter Schlafstörungen. Auch auf den Drittklässler sei psychischer Druck derart ausgeübt worden, weil er „lediglich“ einen zwar zulässigen Schlauchschal aber eben nicht eine „richtige“ Maske trage. Nach den Erfahrungen der Mutter mit ihrem älteren Sohn und der Reaktion der dortigen Schulleitung vermied sie, bei der Grundschule aus Angst vor Repressalien für ihr Kind die Schulleitung auf die Probleme anzusprechen.
Auf Anregung der Mutter wurde das Familiengericht von Amts wegen aktiv.
Zur Klärung des Sachverhalts stellte das Gericht einen 18 Punkte umfassenden Fragenkatalog auf, dabei ging es etwas verkürzt um die folgenden Fragestellungen:
- Welche Ziele werden durch die Maskenpflicht und die Abstandsvorschrift genau verfolgt?
- Ist der Nutzen dieser Maßnahmen in Bezug auf die Verbreitung des Coronavirus evidenzbasiert nachgewiesen?
- Gibt es diese Maßnahmen betreffend Untersuchungen, welche die physischen Auswirkungen für Kinder behandeln?
- Wurden mögliche psychische Auswirkungen dieser Maßnahmen für Kinder auf Grundlage methodisch-systematisch gesammelter Daten überprüft?
- Wurde hinsichtlich der Maßnahmen gegenüber Kindern deren Verhältnismäßigkeit geprüft und nachvollziehbar bewertet?
- Wie wir das Infektionsgeschehen mit dem Virus SARS-CoV-2 ermittelt?
- Welche Tests (RT-q-PCR-Test) von welchen Herstellern werden verwendet? Wie werden Labore, die die Tests auswerten, akkreditiert? Welche Kontrollen und Überwachungen gibt es?
- Wie werden die Tests ausgeführt, insbesondere bis zu welchen Verdopplungsschritten (ct-Wert) wird ein Test als positiv bewertet?
- Ist die angewandte Testmethode in der Lage ein vermehrungsfähiges und weitergabefähiges Virus SARS-CoV-2 nachzuweisen?
- Wird diese Falsch-positiv-Rate, welche zwischen 1,4 % und 2,2 % liegt, bei der Berechnung der „Inzidenzen“ berücksichtigt?
- Was genau wird unter „Inzidenz“ verstanden? Handelt es sich nicht vielmehr um schlichte Melderaten/-daten?
- Werden positive Testresultate mit dem klinischen Befund eines Untersuchten überprüft, wie es die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorsieht?
- Wie wird verhindert, dass mehrfach getestete Personen nicht mehrfach zählen?
- Welche Auswirkung hat die Einführung von Schnelltests auf die Ermittlung des Infektionsgeschehens?
- Können wissenschaftliche Belege dafür benannt werden, dass positiv Getestete ohne Symptome das Virus SARS-CoV-2 weitergeben können?
- Können wissenschaftliche Belege dafür benannt werden, dass positiv Getestete vor der Entwicklung von Symptomen das Virus SARS-CoV-2 weitergeben können?
- Wie hoch ist die Infektiosität symptomatisch positiv Getesteter?
- Wird bei den derzeitigen Testungen noch nach anderen Viren, beispielsweise Influenza, gesucht und auch darauf getestet?“
Zur Klärung der aufgeworfenen Fragen bat das Familiengericht den Freistaat Thüringen und die beteiligten Schulleitungen um ihre Stellungnahme.
Eine Stellungnahme des Freistaates Thüringen und der aufgeforderten Schulen erfolgte nicht.
Das Gericht ordnete die Beweiserhebung durch Einholung von drei schriftlichen Sachverständigengutachten an.
In den Entscheidungsgründen leitet das Gericht seine Zuständigkeit aus §§ 13, 23a, 23b GVG (Gerichtsverfassungsgesetz) und §§ 111, 151 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) her. Demnach sei das Familiengericht, wenn es um Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung geht, zuständig. Dies regele § 40 Abs. 1 S. 1 S. 1 VwGO in Verbindung mit § 1666 BGB, welche als Bundesgesetze über Verordnungen und Allgemeinverfügungen stehen. Höherrangiges Recht, also Bundesrecht, geht untergeordneten Rechtsvorschriften, wie hier der Maskenpflicht in einer Allgemeinverfügung, vor. Eine Allgemeinverfügung steht in der Normenhierarchie lediglich auf unterster Stelle und kann mit einem an alle gerichteten Verwaltungsakt verglichen werden.
Die §§ 24, 157 FamFG in Verbindung mit § 1697a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sehen sogar ein Einschreiten des Familiengerichts bei einer Gefahr für das Kindeswohl vor, ohne dass es dafür eines Antrags oder einer besonderen Anregung durch eine beliebige Person bedarf. Das Familiengericht unterliege dabei dem Amtermittlungsgrundsatz nach § 26 FamFG, d.h. es ist selbst dazu berufen, den Tatbestand und eine mögliche Gefährdung eines Kindes zu ermitteln.
Hinsichtlich der Kosten solcher Verfahren heißt dies, dass solange es nur um eine Anregung einer möglichen Kindsgefährdung ohne Antragstellung handelt und das Familiengericht der Anregung folgt oder nicht, keine Gerichtskosten anfallen.
Exkurs: Problematisch ist in diesem Zusammenhang eine anders lautende Entscheidung des Amtsgerichts Leipzig, Beschluss vom 15.04.2021 - 335 F 1187/21, zu sehen. In einem ähnlich gelagerten Verfahren setzte das Gericht, da 350 Kinder betroffen gewesen wären, den Verfahrenswert auf 1.400.000 € fest, was für die alleinerziehende Mutter auf eine "Strafgebühr" in Höhe von 18.654 € hinausliefe. Ein Verfahren zur Überprüfung der Erziehungseignung der Mutter sei ebenfalls eingeleitet worden. Das Gericht stellte dabei in Aussicht, dass sich die Gerichtskosten bei einer Rücknahme des Antrags auf 1/3 reduzieren würden. Regelmäßig kann mit einer Beschwerde gegen eine Streitwertfestsetzung vorgegangen werden. Über die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen gegen den Leipziger Richter liegen bisher keine Erkenntnis vor.
Zurück zur Sache und zum Amtsgericht Weimar, welches seine Entscheidung weiter durch die Annahme begründet, es liege eine Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB vor.
Das Gericht nimmt demnach an, dass eine Gefährdung des Kindes, bei einer gegenwärtigen, in einem solchen Maß vorhandenen Gefahr für das geistige, körperliche oder seelische Wohl des Kindes, dass sich bei weiterer Entwicklung ohne Intervention eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt, zu bejahen ist.
Unter dem gegebenen Sachverhalt und unter Bezugnahme auf die eingeholten Sachverständigengutachten sieht es das Gericht als erwiesen an, dass eine solche Gefährdung für die Kinder vorliegt.
Die Kinder würden durch die Pflicht, während der Schulzeit Gesichtsmasken zu tragen und Abstände untereinander und
zu weiteren Personen einzuhalten, in ihrem geistigen, körperlichen und seelischen Wohl bereits gegenwärtig geschädigt. Dadurch würden zugleich zahlreiche Rechte der Kinder und ihrer Eltern aus Gesetz, Verfassung und
internationalen Konventionen verletzt. Dies gelte insbesondere für das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und auf körperliche Unversehrtheit aus Artikel 2 GG (Grundgesetz) sowie für das Recht aus Artikel 6 GG auf Erziehung und Betreuung durch die Eltern.
Das Gericht sieht die vorliegende Allgemeinverfügung als verfassungswidrig an. Es sieht sich auch dazu berufen, hierüber selbst zu entscheiden, da es sich nicht um ein Gesetz handelt. Aber nur wenn es um die Rechtmäßigkeit von Gesetzen geht, muss das Gericht gemäß Artikel 100 Abs. 1 GG ein Verfassungsgericht zur Klärung der Frage der Rechtmäßigkeit einschalten (so auch mit weiteren Nachweisen das AG Weimar, Urteil vom 11.01.2021 – 6 OWi – 523 Js 202518/20).
Für diese dem Gericht vorliegenden landesrechtlichen Vorschriften die Coronaschutz-Maßnahmen in Schulen betreffend, sieht es eine Verletzung der Artikel 20 und 28 GG als gegeben an. Das Gericht stellt dabei darauf ab, dass nicht die von den Maßnahmen Betroffenen deren Verfassungswidrigkeit begründen müssen, sondern es vielmehr Aufgabe des Verordnungsgebers (hier: der Freistaat Thüringen) ist, mit der gebotenen wissenschaftlichen Evidenz beweisen zu müssen, dass die erlassenen Maßnahmen geeignet sind, die angestrebten Zwecke wirksam zu fördern und dass diese verhältnismäßig sind.
Das Gericht zweifelt somit die Geeignetheit der Maßnahmen mangels wissenschaftlichen Nachweises an und beruft sich dabei auf die bestellten Sachverständigengutachten.
Diese sind Frau Prof. Dr. med. Ines Kappstein, Herr Prof. Dr. Christof Kuhbandner sowie Frau Prof. Dr. rer. biol. hum. Ulrike Kämmerer.
Die Gutachterin Frau Kappstein erinnert in ihrem Gutachten, welches Teil des dargestellten Beschlusses ist, daran, dass die Beweggründe für die Einführung der Maskenpflicht darin bestanden, dass alle Menschen eine Maske tragen sollten, damit die (wenigen) Menschen, die bereits infiziert sind, es aber noch nicht wissen (können), weil sie noch keine Symptome haben (präsymptomatisch) oder auch gar keine entwickeln werden (asymptomatisch), alle anderen Personen, denen sie begegnen, durch ihre Maske vor einem möglichen Erregerkontakt schützen (Fremdschutz).
Dies habe bis zum Januar 2021 gegolten. Mit der Verpflichtung eine OP-/FFP2-Maske zu tragen, sei der Eigenschutzgedanke ausgeprägt worden.
Als wichtigste präventive Maßnahmen nennt sie
- 1. physischen Abstand
- 2. bei Krankheit zu Hause bleiben
- 3. Arbeit via Telekommunikation, falls möglich
- 4. respiratorische Etikette
- 5. sorgfältige Händehygiene
- 6. Kontakt der Hände mit dem Gesicht (Augen, Nase, Mund) vermeiden
- 7. Innenräume lüften
Masken würden ihrer Ansicht nach regelmäßig falsch verwendet werden und könnten somit sogar ein Kontaminierungrisiko darstellen.
Das Resume der Gutachterin zur Maskenempfehlung des RKI im öffentlichen Raum (Geschäfte, ÖPNV, Schulen etc.) lautet:
Masken nicht evidence-based. Es gäbe keine wissenschaftlichen Daten, aus denen sich herleiten ließe, dass „das Tragen von Masken (medizinische Masken bis hin zu sog. Community-Masken) durch (anscheinend) gesunde Personen, also Menschen ohne Symptome einer oberen Atemwegsinfektion, im öffentlichen Setting (Geschäfte, ÖPNV, Schulen etc.) vor Infektionen mit respiratorischen Viren, incl. solche durch das Coronavirus, schützen könne.
Darüber hinaus zweifelt die Gutachterin daran, ob die derzeit durchgeführten PCR-Tests in der Lage sind festzustellen, ob der Getestete ansteckend sei.
Auf die Kinder bezogen ist dem Gutachten folgende Textstelle (Randnummer 518 des Beschlusses) zu entnehmen.
Anfang September 2020 beschäftigte sich ein Artikel (im Politik-Magazin Cicero) mit dem Schicksal der Schulkinder beim Tragen der Masken. Der Autor (Sozialwissenschaftler und Bildungsforscher) hält es für sicher, dass keine Studie, in der Kinder über Stunden, Tage und Wochen Masken tragen sollten, von einer Ethikkommission in Deutschland zugelassen worden wäre.
Die Gutachterin weist weiter darauf hin, dass es dringend erforderlich sei, eine Prüfung der Nutzen-Risiko-Relation des Maskenzwangs vorzunehmen. Es häuften sich Hinweise darauf, dass gerade Kinder unter psychischen, psychosozialen und psychovegetativen Auswirkungen des Maskentragens litten. Hierzu sei eine starke Zunahme der Fallzahlen zu beobachten. Auf psychosozialer Ebene wäre dies mit einer stark reduzierte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (aufgrund des Bestrebens, das Maskentragen zu vermeiden), sozialer Rückzug, herabgesetzte gesundheitliche Selbstfürsorge (bis hin zur Vermeidung von Arztterminen) oder die Verstärkung vorbestandener gesundheitlicher Probleme (posttraumatische Belastungsstörungen, rezidivierender Herpes simplex, Migräne).
Im weiteren bezweifelt die Gutachterin Frau Prof. Dr. med. Ines Kappstein, dass eine Übertragung abseits der klassischen Übertragungswege per Luft nach der von ihr so genannten Aerosol-Theorie einen entscheidenden Faktor bei der Übertragung der Coronaviren einnehme.
Ein weiterer Gutachter in diesem Verfahren ist Herr Prof. Dr. Christof Kuhbandner, welcher Professor für Psychologie und Lehrstuhlinhaber des Lehrstuhls für Pädagogische Psychologie an der Universität Regensburg ist.
Er merkt an, dass in den mathematischen Modellierungen, die zum Nachweis der Wirksamkeit des Maskentragens herangezogen werden, ignoriert würde, dass die Virusausbreitung stark von saisonalen Effekten beeinflusst wird. Dies würde dann fälschlicherweise einem Effekt von verordneten Maßnahmen zugeschlagen werden. Besser wäre es von Anfang an gewesen, randomisierte kontrollierte Studien in der Bevölkerung vorzunehmen, um einen wirklichen Überblick über die Virusverbreitung und dessen Risiken zu gewinnen.
Bei der Empfehlung des Robert-Koch-Instituts zum Maskeneinsatz in Schulen vom 12.10.2020 habe dieses explizit psychosoziale und andere Aspekte wie die Vermeidung von Stigmatisierung nicht zum Teil ihrer Empfehlung gemacht und den Fokus alleine auf die Infektionsprävention gelegt. Das RKI habe wiederholt betont, der Regierung lediglich aus ihrem Fachgebiet heraus Empfehlungen gegeben zu haben. Eine Abwägung und Entscheidung müssten die Regierenden treffen. Diese allerdings, so der Gutachter, würden aus der Empfehlung einen Imperativ machen, mögliche Schäden für Schüler würden nicht in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden.
Hinsichtlich der möglichen negativen Auswirkungen des Maskentragens verweist der Gutachter auf eine Aufzählung aus den aktuellen Empfehlungen der WHO zum Tragen von Masken vom 01.12.2020 sowie auf ein Register zu Nebenwirkungen des Maskentragens bei Kindern, deren erste Ergebnisse in der Fachzeitschrift Monatsschrift Kinderheilkunde publiziert wurden.
Als weitere neben den möglichen sich körperlich auswirkenden Gesundheitsschäden erwartet der Gutachter negativen Effekten hinsichtlich der Entwicklung und Heranreifung von Kindern durch Einschränkung der nonverbalen Kommunikation, negative Verzerrung des emotionalen Erlebens und somit eine Beeinträchtigung der Fähigkeit der Empathie bei Kindern. Es bestehe weiterhin die Gefahr für die Sprachentwicklung, für Diskriminierung und für das Auslösen und Aufrechterhalten von entwicklungspsychologisch unangemessenen Ängsten bei Kindern.
Im Extremfall könne es so weit gehen, dass eine Depression entwickelt würde. Dabei kann es auf der Ebene der Hirnentwicklung auch zu „biologischen Narben“ kommen, was sich in einer lebenslangen erhöhten Vulnerabilität für körperliche und psychosoziale Belastungssituationen niederschlagen kann. Wenn man dauerhaft erhöhtem Stress ausgesetzt sei, leidet natürlich das Immunsystem darunter und jede Infektion und Erkrankung hat leichteres Spiel.
Hinsichtlich der in der Presse zu lesenden besonderen Betroffenheit von Berufsgruppen, die mit Kinderbetreuung zu tun haben, mit Covid-19, führt er aus, dass dieser Rückschluss aus den vorliegenden Zahlen nicht getroffen werden könne. Die hierzu vorliegenden Zahlen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK würden auch bloße Verdachtsdiagnosen ohne SARS-CoV-2-Testergebnis mit einbeziehen. Hinzu komme, dass Lehrern und Erziehern schon seit längerem regelmäßige Test angeboten würden und somit sich vermehrt mit Kindern arbeitende Personen mit Symptomen testen ließen.
Darüber hinaus führt Herr Prof. Dr. Christof Kuhbandner aus, dass die aktuell angeblich steigenden Infektionszahlen bei Kindern mit hoher Wahrscheinlichkeit in Wirklichkeit darauf zurück gingen, dass die Testanzahl bei den Kindern in den vorangegangenen Wochen stark zugenommen hat. Da das Ansteckungsrisiko an Schulen an sich sehr klein ist, ist selbst bei einer möglichen Erhöhung der Ansteckungsrate bei der neuen Virusvariante B.1.1.7 in der in Studien vermuteten Größenordnung nicht damit zu rechnen, dass sich an Schulen die Virusausbreitung nennenswert erhöht.
Als dritte Gutachterin wird Prof. Dr. rer. biol. hum. Ulrike Kämmerer, welche am Universitätsklinikum Würzburg, Frauenklinik, insbesondere die Schwerpunkte Humanbiologie, Immunologie und Zellbiologie lehrt, um ihre Fachkunde befragt.
Diese führt zum Thema PCR- und Schnelltests aus, dass ein PCR Test – auch wenn er korrekt durchgeführt wird – keinerlei Aussage dazu trifft, ob eine Person mit einem aktiven Erreger infiziert ist oder nicht; ob er infektiös (also ansteckend) oder nicht ist.
Anhand eines Rechenbeispiels möchte sie aufzeigen, dass durch das „Spielen an den Vorgaben“ für die Tests und Labore die täglichen Fallzahlen wenige bis keine Aussagekraft haben und beliebig und einfach manipuliert werden können.
Das Fazit des Gerichts lautet :
Das Gericht nimmt in seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne eine Abwägung zwischen dem geringen Nutzen der Maßnahmen gegenüber Kindern und den dagegen stehenden möglichen Nebenwirkungen in Bezug auf das körperliche, psychische und soziale Wohlergehen von Kindern vor.
Aufgrund der vorliegenden Gutachten kommt es zu dem Ergebnis, dass die Zahlen der unter den Maßnahmen leidenden Kinder in keinem Verhältnis zu den wenigen verhinderten Ansteckungen stünden.
Das Gericht beruft sich hierbei auf den Gutachter Prof. Dr. Kuhbandner, der ausgehend von Erhebungen in Österreich, wo in Grundschulen keine Masken getragen werden, aber dreimal pro Woche flächendeckend Schnelltests vorgenommen werden, sich ergebe, dass
100.000 Grundschüler eine Woche lang sämtliche Nebenwirkungen des Maskentragens in Kauf nehmen müssten, um nur eine einzige Ansteckung pro Woche zu verhindern.
Von Bedeutung sei auch, dass die Bundesrepublik gemäß Artikel 28 und 29 der UN-Kinderrechtskonvention, welche geltendes deutsches Recht darstellen, verpflichtet sei, Schulen für Kinder verfügbar und zugänglich zu machen. Was nach Ansicht des Familiengerichts nicht der Fall war.
Letztlich verletze die Pflicht der Schüler, der Schule und womöglich auch anderen anwesenden Personen gegenüber das Ergebnis der Schnelltests mitzuteilen, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Artikel 2 Abs. 1 GG. Eine Anordnung einer Untersuchung könne gemäß §§ 28, 29 Infektionsschutzgesetz (IfSG) nur gegen Personen angeordnet werden, die zumindest als ansteckungsverdächtig in Betracht kommen. Hierzu gibt es allerdings eine gefestigte Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Urteil vom 22.03.2012 – 3 C 16.11. Demnach gilt als ansteckungsverdächtig im Sinne des § 2 Nr. 7 IfSG, wer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt zu einer infizierten Person hatte; eine bloß entfernte Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Erforderlich ist, dass die Annahme, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil. Maßgebend für einen Ansteckungsverdacht ist ausschließlich die Wahrscheinlichkeit eines zurückliegenden Infektionsvorgangs.
Dies treffe folglich nicht für Schüler und Kinder per se zu, daher seien sie nicht verpflichtet, Testergebnisse von Schnelltests mitzuteilen.
Da das Gericht auch die Mitschüler der explizit namentlich betroffenen Schulkindern in gleicher Weise betroffen ansah, hat es auch für diese mitentschieden.
In diesem Punkt unterscheidet sich der vorliegende Beschluss von dem des Familiengerichts Weilheim, Beschluss vom 13.04.2021 – 2 F 192/21. Dieses hatte der Schule lediglich verboten, den explizit betroffenen Schulkindern gegenüber Anordnungen zum Schutz vor Infektionen mit dem Coronavirus zu treffen.
Angesichts der zum Anfang dieses Blogs geschilderten Situation ist davon auszugehen, dass es bei einer Vollstreckung der Beschlüsse zu weiteren Verfahren kommen wird. Hier werden Sie weiterhin informiert…
Wir danken wie immer sasanpix für das artwork !