Beherbergungsverbote in vier Bundesländern annulliert
Die politisch sowie juristisch sehr umstritten Beherbergungsverbote gelten in Baden-Württemberg und Niedersachsen aufgrund von Gerichtsbeschlüssen nicht mehr. Das Saarland und Sachsen wollen die Beherbergungsverbote aufheben.
Zum Fall in Baden-Württemberg:
Was war passiert?
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat als erstes deutsches Gericht mit Beschluss vom 15. Oktober 2020 – Az. 1 S 3156/20 – das Beherbergungsverbot mit sofortiger Wirkung vorläufig in Baden-Württemberg außer Vollzug gesetzt. Der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs hat einem entsprechenden Eilantrag gegen das Beherbergungsverbot einer Familie aus Nordrhein-Westfalen stattgegeben. Der im Kreis Ravensburg gebuchte Urlaub kann nunmehr planmäßig stattfinden.
Was sah das Beherbergungsverbot vor?
Für Gäste aus deutschen Regionen, in denen die 7-Tage-Inzidenz von 50 neu gemeldeten Sars-CoV-2-Fällen pro 100.000 Einwohner überschritten wurde, galt grundsätzlich ein Beherbergungsverbot. Sofern die Gäste einen negativen Coronatest hätten vorlegen können, der nicht älter als 48 Stunden war, wären Sie vom Beherbergungsverbot befreit gewesen.
Wesentliche Argumentation der Urlauber
Das Beherbergungsverbot sei unverhältnismäßig und willkürlich. Die Möglichkeit zur Vorlage eines negativen Coronatests führe zu erheblichen Kosten und diskriminiere Familien sowie Gäste aus Regionen mit schlechten Testkapazitäten.
Wesentliche Argumentation der Landesregierung
Es sei aktuell angesichts der hohen Neuinfektionen pro Tag nicht die Zeit Beschränkungen zurückzunehmen. Zahlreiche Ferienregionen hätten im Hinblick auf die Eindämmung des Infektionsgeschehens in der jüngeren Vergangenheit sehr gute Erfahrungen mit Reisebeschränkungen gemacht.
Rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg
Das Beherbergungsverbot sei aufgrund eines unverhältnismäßiges Eingriffs in das Grundrecht auf Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 GG voraussichtlich verfassungswidrig. Eingriffszweck und Eingriffsintensität stünden in keinem angemessenen Verhältnis zueinander.
Zwar verfolge die Landesregierung mit der Eindämmung der Pandemie den Schutz von hochrangigen Rechtsgütern, der Abwehr von Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potenziell großen Zahl von Menschen. Allerdings sei bereits nicht dargelegt worden, dass im Zusammenhang mit der Beherbergung ein besonders hohes Infektionsrisiko bestehe, dem mit so drastischen Maßnahmen begegnet werden müsste. Trotz steigender Fallzahlen sei kein Ausbruchsgeschehen in Beherbergungsbetrieben bekannt.
Außerdem sei es den Antragstellern nicht zumutbar, sich auf die Möglichkeit verweisen zu lassen, negative Coronatests vorzulegen. Es erscheine derzeit nicht hinreichend gewährleistet, dass Test von Reisenden überhaupt so kurzfristig erlangt werden könnten. Zudem sei fraglich, ob das Zeitfenster von 48 Stunden, in dem eine Abstrichentnahme durch medizinisches Fachpersonal, der Transport der Proben ins Labor sowie die Übermittlung des Ergebnisses und schließlich das Erscheinen des Gastes im Beherbergungsbetrieb stattfinden müsse, überhaupt eingehalten werden könne.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Zum Fall in Niedersachsen:
Was war passiert?
Auch in Niedersachsen galt ein vergleichbares Einreiseverbot, was jedoch mehrere Ausnahmen vorsah. Der 13. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat ebenfalls mit Beschluss vom 15. Oktober 2020 – 13 MN 371/20 – das Beherbergungsverbot mit sofortiger Wirkung vorläufig in Niedersachsen außer Vollzug gesetzt. In diesem Verfahren hatte sich der Betreiber eines Ferienparks mit einem Normenkontrolleilantrag vom 13. Oktober 2020 erfolgreich gegen das Einreiseverbot gewehrt.
Wesentliche Argumentation des Ferienparkbetreibers
Die Verbotsregelungen seien zu unbestimmt und das Verbot als solches sei zur Verhinderung weiterer Corona-Infektionen nicht geeignet, nicht notwendig und auch nicht angemessen.
Rechtliche Würdigung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts
Das angeordnete Beherbergungsverbot erweise sich bei summarischer Prüfung als rechtswidrig.
Der 13. Senat fand deutliche Worte und hielt fest, dass das Verbot schon nicht hinreichend bestimmt sei. So sei in der Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung schon nicht festgelegt worden, wer eine Person aus einem Risikogebiet sei.
Das Verbot stelle sich außerdem nicht als notwendige infektionsschutzrechtliche Schutzmaßnahme dar. Aufgrund des engen Anwendungsbereichs sowie zahlreicher Ausnahmen erfasse das Verbot von vorneherein nur einen sehr begrenzten Ausschnitt des Reisegeschehens. Es sei fraglich, ob ein derart begrenztes Verbot geeignet und erforderlich sei.
Ähnlich wie der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hielt das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht fest, dass sich das Beherbergungsverbot auf Sachverhalte beziehe, die jedenfalls nicht offensichtlich mit einer erhöhten Infektionsgefahr verbunden seien.
Unter Berücksichtigung dieser Zweifel an der Eignung und Erforderlichkeit des Verbots greife dieses jedenfalls unangemessen in die grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs.1 GG der Betreiber von Beherbergungsbetrieben ein. Außerdem bewirke das Verbot eine gravierende organisatorische Belastung und könne zu erheblichen finanziellen Einbußen führen. Die Verbotswirkungen würden ferner durch die Ausnahmen nicht deutlich gemildert. Wie auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hielt das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht fest, dass die Möglichkeit, eine Ausnahme von dem Verbot durch einen negativen Corona-Test zu erlangen, angesichts nur begrenzter theoretischer und bereits heute tatsächlich weitgehend ausgenutzter Testkapazitäten praktisch kaum zum Tragen kommen dürfte. Des Weiteren widerspräche diese Ausnahme der angestrebten Priorisierung von Testungen nach der Infektionswahrscheinlichkeit.
Der Beschluss ist ebenfalls unanfechtbar.
Fazit
Es handelt sich vorliegend um zwei Einzelfallentscheidungen, die nur in dem jeweiligen Bundesland gelten und von denen bisher nur die Pressemitteilungen veröffentlicht worden sind. Die dortigen vorläufigen Außervollzugsetzungen sind jedoch allgemeinverbindlich, so dass die außer Vollzug gesetzten Regelungen mit sofortiger Wirkung in dem jeweiligen Bundesland nicht mehr gelten. Es bleibt spannend, wie Gerichte in anderen Bundesländern urteilen werden. Es sprechen viele gute Gründe dafür, dass auch die Beherbergungsverbote in weiteren Bundesländern unverhältnismäßig und somit verfassungswidrig sind. Sollten Sie vom Beherbergungsverbot betroffen sein, ist es ratsam, sich zeitnah von erfahrenen Rechtsanwälten beraten und erforderlichenfalls vertreten zu lassen.