Die Adventszeit ist die Zeit der vollen E-Mail Postfächer

Urteil des AG Schöneberg vom 13.11.2019 – 11 C 180/19

Jeder kennt das. In der Vorweihnachtszeit klingelt es wieder vermehrt im digitalen Postfach. Schlecht dran ist der, der den Klingelton des Smartphnones nicht ausgeschaltet hat und sogar unterwegs von ständigem Gebimmel zum Blick auf das Handy gezwungen wird, wenn dort nicht gerade sowieso draufschaut wird. Zusätzlich zu den inzwischen meist gewöhnlichen und zahlreichen Socialmedia-Meldungen, den üblichen Newslettern und sonstigen Benachrichtigungen kommen, wenn der SPAM-Filter versagt hat, zusätzlich Advents-, Nikolaustag- und Weihnachtsmails mit Werbecharakter von allen möglichen Internetgeschäften an, bei den irgendwann einmal etwas bestellt worden war. Gewöhnlich bleibt es aber nur in sofern lästig, dass die Mail in den digitalen Papierkorb geschoben werden muss.

In dem vorliegend zu besprechenden Urteil vor dem Amtsgericht Schöneberg ging es um eine Ostermail eines Onlineshops in der ein Rabatteinkaufscode auf das gesamte Sortiment zwischen den zum Kauf empfohlenen Osterschokoladenhasen versteckt worden sein sollte. Der betroffene Empfänger hielt sich gerade im Gerichtsbezirk in Schöneberg auf, als er unterwegs die ihn lästige Ostermail empfing. Dies ist wichtig, weil sich der Gerichtsstand, also das örtlich zuständige Gericht, danach richtet, wo die unerlaubte Handlung begangen wurde, im Falle einer unzumutbare Belästigungen im Sinne des § 7 UWG der Ort des Verletzungserfolges, also dort wo die E-Mail abgerufen und empfangen wurde, § 32 ZPO.

Der Empfänger fühlte sich durch die Ostermail empfindlich belästigt und forderte vom Mailabsender  ca. 2 Wochen später die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Der Onlineshop reagierte nicht und so beantragte der Empfänger zwei Monate nach dem Eingang  der Ostermail den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Sinngemäß sollte dem Onlineshop untersagt werden, dem Verfügungskläger erneut eine Werbemail zuzusenden. Bei Zuwiderhandlung sollte ein Ordnungsgeld ersatzweise Ordnungshaft am Geschäftsführer verhängt werden.

Das Gericht reagierte erwartungsgemäß schnell, aber anders als der Verfügungskläger erwartet hatte. Es lehnte das Vorliegen eines glaubhaft gemachten Verfügungsgrundes und damit den Erlass einer einstweiligen Verfügung ab. Zur Begründung gab das Gericht an, dass eine einzelne Werbemail keine so gravierende Beeinträchtigung darstelle, dass ein Eilrechtsschutz erforderlich sei. Ausdrücklich widersprach das Amtsgericht dabei dem übergeordneten Kammergericht, welches in diesem Zusammenhang Rechtsverletzungen anderer Werbetreibender dem verfügungsbeklagten Onlineshop zurechnet. Weiter argumentierte das Amtsgericht, dass aufgrund des kurzen Terminstands beim Amtsgericht Schöneberg, der Verfügungskläger geeigneter Weise das Hauptsacheverfahren hätte einleiten sollen. Individuelle Umstände, die eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts glaubhaft machen, seien nicht vorgetragen worden.

Hiergegen wendete sich der Verfügungskläger, der nicht von einem Anwalt vertreten war, mit der sofortigen Beschwerde und einem Befangenheitsantrag gegen den Einzelrichter. Argumentativ konnte er sich auf die erwähnte übergeordnete Rechtssprechung aus dem Jahr 2002 berufen. Hinzu kam, dass er bereits im Jahr zuvor eine annähernd identische gerichtliche Auseinandersetzung mit auch noch dem gleichen Einzelrichter vom Amtsgericht Schönberg hatte und er damals mit dieser Vorgehensweise erfolgreich war. Das Landgericht hatte der sofortigen Beschwerde abgeholfen und den Befangenheitsantrag für begründet erachtet.

Diesmal trug es sich aber anders zu. Es war nun schon Herbst geworden also fast ein halbes Jahr nach Ostern, als der Befangenheitsantrag gegen den Einzelrichter vom Amtsgericht Schöneberg abgelehnt wurde. Der Umstand, dass der Verfügungskläger bereits einmal erfolgreich den Einzelrichter mittels eines Befangenheitsantrags abgelehnt hatte, was für das Gericht sicher keine angenehme Sache ist, reicht demnach nicht aus, eine erneute Besorgnis der Befangenheit des Einzelrichters zu begründen.

Im weiteren Verlauf, wurde nicht über die sofortige Beschwerde verhandelt, sondern mündlicher Termin zur Verhandlung über den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung bestimmt. Ob diese Vorgehensweise einwandfrei ist, mag hier dahin gestellt bleiben, es gibt unterschiedliche obergerichtliche Entscheidungen hierzu (dafür: Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 27.02.2013 – 8 U 10/13; dagegen: OLG Karlsruhe, Beschluss v. 15.11.2017 – 9 W 30/17)

Der nun anwaltlich vertretene Onlineshop (Verfügungsbeklagte) versuchte weiterhin den Erlass der Verfügung zu verhindern und berief sich dabei auf den Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 3 UWG

Demnach handelt es sich bei Werbung unter Verwendung elektronischer Post (z.B. E-Mail) ausnahmsweise nicht um eine unzumutbare Belästigung, wenn sinngemäß

  1. der Empfänger der Werbemail schon mindestens einmal unter Verwendung der betroffenen E-Mail-Adresse eine Leistung (z.B. Warenbestellung) vom Werbetreibenden erhalten hat UND
  2. die in der E-Mail umworbene Leistung „ähnlich“ zu den früheren Leistungen (z.B. Waren) ist UND
  3. der Empfänger der Verwendung seiner E-Mail Adresse nicht widersprochen hat UND
  4. der Empfänger bei Erhebung der Adresse und jeder Wiederverwendung darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung widersprechen kann.

Mithin ist der elektronische Werbeversand an Bestandskunden, wenn auch unter strengen Voraussetzungen, erlaubt.

Inzwischen hatte der Winter Einzug gehalten und im Amtsgericht Schöneberg fand die mündliche Verhandlung im Eilrechtschutzverfahren wegen einer Werbe-Ostermail statt.

Zu Beginn der Verhandlung wurde dem Verfügungskläger von Seiten des Onlineshops angeboten, die Sache mit etwas Schokolade aus dem Adventssortiment aus der Welt zu schaffen. Dies lehnte der Verfügungskläger ab.

Das Amtsgericht Schöneberg sah nach wie vor schon keinen Verfügungsgrund, wie bereits oben angedeutet, vorliegen. Es führt hierzu aus, dass eine einstweilige Verfügung gemäß §§ 935, 940 ZPO nur erlassen werden könne, wenn eine vorläufige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig sei. Die Zusendung einer einzelnen E-Mail sei zwar lästig, stelle jedoch keine so gravierende Beeinträchtigung dar. Die effektive Durchsetzung der Rechte des Empfängers erfordere nicht die Zubilligung des Eilrechtsschutzes. Nach Dafürhalten des Amtsgerichts hätte der Verfügungskläger das normale Klageverfahren und nicht das Eilverfahren anstreben sollen.

Dahinter steht, dass die strengen früheren Entscheidungen aus einer Zeit stammen, als SPAM-Mails tatsächlich spürbar verlängerte Übertragungszeiten, verstopfte E-Mail-Konten und damit erhöhte Telekommunikationsgebühren verursachten. Dem Amtsgericht ist von daher Recht zu geben, dass es in Zeiten der Flatrates vom Discounter, dem stetig wachsenden Speicherplatz (Stichwort: Cloud) und der allgegenwärtigen Beschäftigung mit Smartphones andere Grundvoraussetzungen vorliegen, als noch vor wenigen Jahren. Verschiedene frühere Landes- und Obergerichtliche Entscheidungen werden noch einmal zu überdenken und zumindest in ihrer Begründung aufzufrischen sein. Der technische Fortschritt und die veränderte Nutzung von Smartphones und Tablets im Alltag in den letzten zehn Jahren kann zu Recht als Revolution bezeichnet werden. Hierbei auf Gerichtsentscheidungen von vor dieser Revolution zurück zugreifen, erscheint zuweilen wie der Besuch in einem Museum.

Dem Amtsgericht ist allerdings nicht darin Recht zu geben, dass es über ein halbes Jahr nach dem Eilantrag diesen aus vorgeschobenen Gründen ablehnt, gleichzeitig aber den höheren Instanzen eine gegebenenfalls erforderliche Anpassung ihrer Rechtssprechung an die Ansicht des Einzelrichters abschneidet.

Das Amtsgericht hat den hiesigen Verfahrenswert auf 500,00 € festgesetzt. Gewöhnlich wird in ähnlichen Fällen ein Streitwert von über 1.000,00 € festgesetzt. Eine Berufung ist meist nur zulässig, wenn der Streitwert 600,00 € übersteigt, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

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