Des Kaisers neue Kleider in neuem Gewand

Im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit bestätigt sich immer wieder :

Es gibt nichts was es nicht gibt! In seiner Pressemitteilung 55/19 vom 18.09.2019 berichtet das Landgericht Osnabrück von einem sicherlich „nicht alltäglichem“ zivilrechtlichem Rechtsstreit. Die Kläger mögen sich wie der Kaiser in dem weltberühmten Märchen des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen gefühlt haben.

Mit Urteil vom 29. April 2019 (Az. 18 O 5/17) sprach das Landgericht Osnabrück einem Unternehmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten Schadensersatz i.H.v. von rund 3,25 Mio. Euro gegen ein Unternehmen sowie zwei ehemalige bzw. aktuelle Geschäftsführer des Unternehmens zu.

Den Beklagten war es anscheinend gelungen chinesische Investoren, davon zu überzeugen, dass sie herkömmlichen Diesel durch mechanische und chemische Bearbeitung derart mit Wasser verbinden können, dass sich beides untrennbar verbinden würde. Hierbei sollte ein Wasser-Diesel-Gemisch, welches nahezu den doppelten Energiegehalt wie der ursprüngliche Diesel aufweisen sollte, entstehen.

Die chinesischen Investoren wollten mit dem beklagten Unternehmen gemeinsam eine kommerzielle Anlage für die neuartige Technologie in den Vereinigten Arabischen Emiraten bauen. Hierfür wurde ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet, das die Klage in diesem Verfahren erhoben hat. Im Jahr 2013 überwiesen die chinesischen Investoren auf Rechnung des noch in Gründung befindlichen Gemeinschaftsunternehmens insgesamt rund 3,25 Mio. Euro. Hierfür wurde ihnen eine Beteiligung an einer angeblich bereits in den Vereinigten Arabischen Emiraten betriebenen Anlage zur Erzeugung des neuartigen Wasser-Diesels eingeräumt. Außerdem wurde versprochen, elf weitere Anlagen dorthin zu liefern. Im April 2014 wurde dann bestätigt, dass die elf Anlagen zur Verschiffung bereitstünden.

Kurz darauf, kam es jedoch zum Bruch zwischen den Parteien. Das gegründete Gemeinschaftsunternehmen, forderte die Rückzahlung der von den chinesischen Investoren vorgestreckten Gelder. Nachdem dies nicht erfolgte, wurde Klage erhoben.

In dem Verfahren berief sich die Klägerin u.a. darauf, dass die Beklagten in betrügerischer Absicht mit der Vermarktung der vermeintlichen Wundertechnik begonnen hätten. Es sei versprochen worden, dass jederzeit eine Anlage aufgebaut werden könne, die im kommerziellen Stil aus 1 Liter Wasser und 1 Liter Diesel durch Verbindung beider Komponenten 1,7 Liter eines neuartigen Diesels erzeugen könne. Dieses Gemisch sollte zu einer Energiemehrung um 70 % führen. Dieses sei jedoch gelogen gewesen. Außerdem sei die in die Vereinigten Arabischen Emirate gelieferte Anlage mangelhaft und weise dauernd Störungen auf. Folglich seien die Beklagten zur Rückzahlung der rund 3,25 Mio. Euro zu verurteilen.

Die Beklagten lehnten eine Zahlung ab. Sie hätten u.a. nie konkrete Versprechen zum Wirkungsgrad und der Leistungsfähigkeit abgegeben. Unabhängig hiervon sei die Technologie funktionsfähig. Man könne mit ihr sehr wohl aus 1 Liter Wasser und 1 Liter Diesel etwa 1,7 Liter bis 1,8 Liter Output-Diesel erzeugen. Ferner würde die Anlage in den Vereinigten Arabischen Emiraten ihrer Kenntnis nach störungsfrei funktionieren.

Das Landgericht Osnabrück folgte der Argumentation der Beklagten nicht. Es hat zunächst einen Sachverständigen damit beauftragt, die Funktionsfähigkeit der angeblichen „Dieselvermehrungstechnologie“ zu überprüfen. Zu dem Zeitpunkt als das beklagte Unternehmen die Standorte seiner Anlagen zur Prüfung mitteilen sollte, berief es sich hieraufhin darauf, dass  die entwickelte Anlage für Diesel und Wasser in den Vereinigten Arabischen Emiraten optimiert sei. Deshalb könne sie nur getestet werden, wenn man jeweils 200.000 Liter Diesel und Wasser von dort importieren würde. Später teilten die Beklagten mit, in einem Container seien Komponenten für elf weitere Anlagen gelagert, die der Sachverständige auf Vorgabe durch das Gericht prüfen solle.

Erst im Jahr 2018 konnte der Sachverständige den Container, welcher zwischenzeitlich durch die Polizei im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gegen die Beklagten beschlagnahmt worden war, mithilfe der Polizei öffnen. In diesem fand er diverse Metallkomponenten vor. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass diese selbst unter Berücksichtigung der Planungsunterlagen keinesfalls zu einer funktionsfähigen Anlage zusammengesetzt werden könnten. Schließlich konnten sie nach seinen Feststellungen nicht Grundlage einer Diesel-Vermehrung sein.

Basierend auf diesen Angaben sprach das Landgericht Osnabrück Schadensersatz i.H.v. von rund 3,25 Mio. Euro wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und Betruges zu. Alle Beklagten hätten wieder und wieder behauptet, dass die Wasser-Diesel-Technologie grundsätzlich funktionstüchtig sei und eine Energievermehrung von Diesel bewirken könnte. Obgleich sie mehrfach aufgefordert worden sein,  hätte sie weder eine funktionsfähige Anlage, noch andere Belege hierfür darbieten können. Der Sachverständige habe sehr eindeutig dargelegt, dass sich aus den ihm präsentierten Teilen keine funktionsfähige Anlage mit den versprochenen Eigenschaften, zusammensetzen lasse. Dem hätten die Beklagten nichts Substantielles entgegenzusetzen gehabt. Dies lasse keinen anderen Schluss zu, als dass den Beklagten von Anfang an bewusst gewesen sei, dass die angebliche Technologie nicht funktioniere. Die Aussagen der Beklagten seien daher als bewusste Täuschung anzusehen, um Investoren anzulocken.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das Berufungsverfahren wird vor dem Oberlandesgericht Oldenburg unter dem Az. 8 U 120/19 geführt.

Über den Ausgang der strafrechtlichen Ermittlungen ist uns nichts bekannt. Sollte ein Strafgericht zu dem gleichen Ergebnis wie das Landgericht Osnabrück in dem zuvor beschriebenen zivilrechtlichen Fall kommen, droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, § 263 Absatz 1 & 3 StGB.

Verwandter Beitrag